Unboxing Polina – Satire

Diese Geschichte liegt schon sehr lange in meiner Pipeline.
Die 30.000 Kilometer Laufleistung sollte der Ansporn sein,

sie zum Abschluss zu bringen.
Das war – zu meiner großen Schande – bereits im September 2024.
Prokrastination…

Tada!
Schon bereits seit Ende Januar 2022 bin ich glückliche Besitzerin
eines VW Polo VI, Comfortline – jedoch mit Sonderausstattung,
95Ps, Baujahr 9/21 und slowenische Abstammung.

Die Sitzheizung ist ein echter Knaller und eignet sich hervorragend zu therapeutischen Zwecken gegen quälende Rückenschmerzen. Mit weiteren Eckdaten möchte ich hier gar nicht weiter langweilen – es hat alles, was ich mir von meinem vorigen, blauen Auto gewünscht hätte.

Lediglich zum Farbton würde ich noch ergänzend anmerken wollen, dass meiner Vermutung nach eine Frau die Farbgebung der Lackierung bestimmt hat. Ein Farbton, den sich nur eine Frau ausgedacht haben kann, weil männliche „Zapfen“ (Exkurs Anatomie Farbwahrnehmung) eine solche Farbnuance unmöglich wahrnehmen können. Nämlich: „Limestone Grey“.

Ich gebe das jetzt auch nur äußerst widerwillig zu, aufgrund meiner Natur bringe ich zwar die anatomischen Voraussetzungen mit, den Farbton wahrzunehmen, jedoch gelingt es mir übrigens auch nicht, ihn genauer zu beschreiben, weil mir hierzu einfach die Worte fehlen. VW spielt da meiner Meinung nach auch mit Gegensätzen.
Meine Erwartungen an den Farbton decken sich jedenfalls nicht mit der Benennung „Limestone  Grey“.

Und weil ich auch gerne spiele – nämlich mit Klischees – und dieses Auto aus verschiedensten Gründen ja eher weiblich wahrnehme, nannte ich sie von Anfang an „Polina“.
Das ist, entgegen meiner Natur, nicht sehr einfallsreich, dafür aber einprägsam. Meine vorigen Autos nannte ich ganz einfach „Auto“ Das hat auch immer wunderbar funktioniert und ist universell einsetzbar.

Sprachbarriere
Die slowenische Abstammung spielt im normalen Alltagsgebrauch keine Rolle. Wenn alles funktioniert, wie es soll, spielt die slowenische Abstammung keine Rolle. Es steht deutlich zwischen den Zeilen zu lesen: die slowenische Herkunft spielt hier eine Rolle.
Polina’s Komfortöffnung war beim Kauf nicht aktiv und der „Freundliche“ riet mir zum Werksreset.

Gewohnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, obgleich irritiert über den mangelnden Kundenservice, wischte ich suchend mit den Fingern durch das Menü des Infotainment Systems. Der Menüpunkt war rasch gefunden und Polina just auf ihre Werkseinstellung zurückgesetzt.

Da saßen dann zwei Mädels wie angewurzelt und starrten ungläubig auf das spiegelnde Infotainment System. Vor Schreck. Vor Überraschung. Und vor einer nicht überwindbaren Sprachbarriere. Polina’s Werkseinstellung ist selbstverständlich slowenisch.
Nahe der Hyperventilation erinnerte ich mich zum Glück an den Hinweis des „Freundlichen“, bei Fragen zum Auto doch auch die Bedienungsanleitung um Rat zu fragen.

Rückblickend ist es überaus unverschämt, was man sich mitunter so als Frau beim Autokauf gefallen lassen darf. Aber gut.

Mit etwas klammen Fingern griff ich also ganz enthusiastisch ins Handschuhfach, und angelte die vom „Freundlichen“ gepriesene Bedienungsanleitung heraus. Ja – also, wenn mit der Bedienungsanleitung ein Langenscheidt Wörterbuch gekommen wäre, hätte ich sogar dankbar Anerkennung empfunden. Weitsichtigkeit punktet ja immer enorm bei mir.
Die Situation gab es aber nicht her, etwas Dankbares zu empfinden. Nein – ich spürte ein unbändiges Verlangen, dem Verkäufer, nach allen Regeln der Kunst, die slowenische Bedienungsanleitung an den Kopf zu kacheln. Denn meine Geduld wurde bereits bei Polina’s Abholung mehr als hart auf die Probe gestellt, als ich entdeckte, dass man ihr schlecht sitzende Polo-GTI Fußmatten in den Fußraum gelegt hatte und mit Unverständnis reagierte, als ich dies bemängelte.

Aber kurz zurück zur Sprachbarriere. Zu meinem großen Glück, fährt die Freundin ebenfalls einen Polo, sodass wir uns die Menüpunkte einprägen und Polina zurück auf ihre deutschen Einstellungen bringen konnte. Step by step. Das ganze Prozedere war übrigens nicht dahingehend zielführend, dass die Komfortöffnung funktionierte. Nein. Dazu war dann noch ein zusätzlicher Termin bei VW erforderlich. Denn es musste ein Update aufgespielt werden.

Quasselstrippe
Als ganz miese Netzwerkerin, befinden sich in meinem direkten Umfeld lediglich eine überschaubare Menge an GesprächspartnerInnen. Polina scheint dies in ihren schlauen Chipsätzen erfasst zu haben. Denn sie ist insgesamt sehr mitteilsam, was sich in zahlreichen Pop-Up´s äußert.

Die Anzahl, der sichtbaren Fingerabdrücke auf dem Infotainment, dokumentiert gewissermaßen die Menge der weggedrückten Pop-Up´s – oder verraten, ob ich lieber Musik vom Stick oder Radio höre. Vieles davon lässt sich zum Glück in den Einstellungen deaktivieren bzw. justieren.
Für den Fall, dass ich mal länger irgendwo im Stau stehe, habe ich ein Glasreinigungstuch in der Fahrertür platziert.
Damit wird sodann das Infotainment poliert. Wenn es nichts zu Feudeln gibt, sorgt das Tuch dafür, dass meine Wasserflasche in der Tür nicht rappelt – ein echtes Multi-Tool.

Man könnte natürlich auch das „Sprachpaket“ buchen. VW lässt sich den Dienst im jährlichen Abo allerdings recht teuer bezahlen und der Service ist laut Rezensionen auch eher untauglich. Außerdem habe ich mich bislang geweigert, mich von cleveren Chipsätzen auch noch akustisch maßregeln zu lassen. Die gängigen Sprachbefehle funktionieren zuverlässig mit dem „Google Assistant“ oder auch „Siri“.
Sie decken meine Bedürfnisse ab und stehen außerdem kostenlos zur Verfügung.

Schluckimpfung by VW
Da die meisten Rädchen und Knöpfe der Vergangenheit angehören, schmiert man also viel mit den Fingern über die spiegelnde Bedienoberfläche des Infotainment Systems.
Und irgendwann wird immer irgendetwas angefasst, was später auf magische Weise den Weg in unseren Mund findet und unser Immunsystem anregt.
VW denkt an dieser Stelle in ganz großen Maßstäben und liefert mit der spiegelnden Fläche des Infotainments eine rekuperative Schluckimpfung direkt ab Werk. Zur Gewährleistung der Wirksamkeit, sollte das Infotainment jedoch im ersten Schritt „angefüttert“ werden. Örkhs.

Namensfindung
Polina quält mich mit mehreren Tönen in verschiedenen Situationen. Den gemeinhin bekannten Piepton bei Parkvorgängen, den man zum Glück aber im Infotainment runterregeln kann. Und einem bis ins Mark erschütternden Kreischen, wenn ihr plötzlich etwas zu nahe kommt. Diesem Kreischen verdankt Polina auch ihren Namen – ich möchte an dieser Stelle aber auf gar keinen Fall andeuten, dass Polina’s Kreischen osteuropäisch klingt.

Morgens, auf den letzten Metern zu meinem Arbeitsstellplatz, sorgt das besonders für ganz besonderen Nervenkitzel. Denn zuvor muss ich meinen Transponder an einen Empfänger halten, der sehr nahe an einer Hecke ist. Polina bestimmt hier, wie gepflegt die Hecke ist. Wie viel Macht kann man einem Auto nur geben, bitte?!

Ein kreischendes Auto in der morgendlichen Stille, ist im Übrigen lauter als etwas später am Tag. Die studentische Wohnanlage, die bei meiner Ankunft sicherlich noch friedvoll schlummert, kann meine These vermutlich verifizieren. Wenn ich sehe, dass aus der Hecke lange Äste wachsen, deaktiviere ich den “Komm-mir-nicht-zu-nah, sonst-kreische-ich-ganz-laut-Sensor“ zuvor. Man merkt mir das oft nicht an, aber ich kann auch freundlich sein.

Tückische Sensoren
Wie ich finde, sind diese Sensoren sehr tückisch. Und auch potentiell gefährlich. Manchmal schleicht man da in einem Stau so nichtsahnend vor sich hin und dann wird plötzlich eine laute Kollisionswarnungen mit großer, roter Warnmeldung ins Cockpit geschickt. Da schaue ich auch schon mal besorgt in den Rückspiegel, ob ich vielleicht jemanden versehentlich umgefahren habe. Ich schaue ja eigentlich nicht so gerne in den Rückspiegel. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem Polina bei normaler Geschwindigkeit, unbegründet eine Vollbremsung macht und mir jemand auffährt. Polina hat mich bereits eine Vollbremsung erleben lassen. Das geschah  während eines Parkvorgangs vor einer Hecke. Das kam besonders unerwartet, da der Vollbremsung, im Verhältnis zum langsamen Herantasten an die Hecke, eine enorme Fliehkraft innewohnte.

Stand der Technik
VW scheint sich einen Spaß daraus zu machen, seine Kunden unfähig im Umgang mit ihrem Polo erscheinen zu lassen. Jeden Morgen muss ich auf meinem privaten Stellplatz den Rückwärtsgang einlegen.

Und jeden Morgen krachte dabei das Getriebe, als hätte ich in meinen 29 Jahren Fahrpraxis nicht gelernt, wie man einen Gang sauber und gefühlvoll einlegt. Jeder aus unserem Haus wurde somit darüber informiert, wann ich morgens ins Büro fahre. Ich schreibe bewusst in der Vergangenheitsform, weil ich es inzwischen zu umgehen weiß. Ich habe das Internet zu diesem Thema zu Rate gezogen. Und das Ergebnis ist erstaunlich. Ich bin nicht die einzige Polo-Besitzerin mit diesem Problem und VW hat sogar eine Antwort darauf: Das ist „Stand der Technik“.

Das Getriebe ist kalt, erklärt das Internet. Deshalb sei es ratsam, einen kurzen Augenblick abzuwarten, bevor man den Gang vollständig einlegt. In der Praxis bedeutet dies: Schalthebel runterdrücken, kurz meditieren und dem Getriebe Bedenkzeit geben und dann erst den Gang vollständig einlegen.
Seitdem ich diesen Tipp beherzige, kracht das Getriebe nicht mehr und ich kann im Stealth-Mode meinen Parkplatz verlassen.
Offenbar haben auch nicht alle VW dieses Problem. Der Polo der Freundin (Highline) hat dieses Problem nicht und einen Golf habe ich auch noch nie krachen gehört…

Verbaute Demenz
„Stand der Technik“ scheint auch zu sein, dass Polina einfach einige Einstellungen vergisst. Wann und wieso das passiert, weiß ich nicht. Nach dem Tanken stelle ich den Trip generell auf Null – da habe ich wohl eine echte Macke. Nun, das kleine Knöpfchen im Cockpit, um den Trip auf Null zu setzen, existiert ja nicht mehr, also muss ich an der Wippe am Lenkrad etwas rumwippen.
Und es passiert immer mal wieder, dass VW auch meine persönliche Einstellungen dazu zurückgesetzt hat. Vielleicht passiert es nach irgendeinem OTA?
Und ich nehme ja niemals eine Tankquittung mit, weil das Wissen, für wieviel Euro ich monatlich tanke, keinen Nutzen für mich hat. Ich könnte schließlich nicht nicht ins Büro fahren, weil ich beschließen könnte, dass mein Tankvolumen für diesen Monat erschöpft sei.
Den Trip aber auf Null zu setzten – das ist Pflicht. Ärgerlich finde ich nur, wenn Polina das von sich aus macht- so aus heiterem Himmel, nach x gefahrenen Kilometern. Aber niemals, also wirklich niemals, vergisst sie ihren Gesamtkilometerstand.
Wieso eigentlich nicht? – das wäre doch mal wirklich nützlich :)


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